Vom vorgetäuschten Orgasmus bis zu automatisierten Abläufen im Bett: Lust und Ekstase, die uns gar nicht mehr wirklich erreichen, sind allgegenwärtig. Und das nicht erst seit es Porno & Co. gibt. Dieser Beitrag zeigt dir, wie aus dem Programm wieder echte Hingabe wird. Egal ob für dich alleine oder in einer Beziehung.

Kurz ein wenig da streicheln, dann diesen Knopf drücken. Schließlich feste in eine Richtung stimulieren und schon bin ich am Ziel. Wir alle kennen den Sex, der für Befriedigung sorgt, aber nicht wirklich berührt. Animalische Spielarten sind vollkommen in Ordnung. Doch auf Dauer fehlt etwas. Vor allem dann, wenn wir die Empfindungen gar nicht mehr bewusst wahrnehmen.

Die Hamburger Paartherapeutin Katrin Aschermann kennt das Phänomen der antrainierten Muster aus ihrer Praxis. In einem Interview für das Magazin „Spiegel“ beschreibt sie:

Sobald man sich dem Intimbereich nähert, kommen die automatisierten Abläufe: Beckenbewegung, unechtes Stöhnen und so weiter… Es geht darum, diese Reaktionsketten zu unterbrechen. Nur so kann die Erfahrung gemacht werden, was einen emotional wirklich berührt und öffnet.

Hinzu kommt: Wir haben beim Sex so sehr das vermeintliche Ziel (den Orgasmus) vor Augen, dass wir den Weg dorthin nahezu ausblenden.

Vom Druck des Orgasmus

Doch dann spüren wir am Ende einige Sekunden lang in uns hinein, und das war es. Wie schade. Als Mann habe ich die Erfahrung gemacht: Wenn du es schaffst, dich vom Druck des Orgas-Muss (O-Ton Katrin Aschermann) zu lösen, dann lernst du deine Sexualität komplett neu kennen. Das Programm gerät in den Hintergrund. Und aus dem schnellen Quickie können Stunden werden.

Sich spüren
Spüre ich mich wirklich?

Es braucht Zeit, um die antrainierten Muster loszulassen. Beobachte dich ganz bewusst, wenn du das nächste Mal Liebe oder Selbstliebe machst:

All das ist für sich nichts Schlechtes. Aber es kann dazu führen, dass du ein Programm abspulst, ohne es zu wissen. Keine Sorge, wenn du im Automatismus gefangen bist. Der erste Schritt ist bereits getan: Du bist dich dessen bewusst! Du kannst jederzeit lernen, zurück ins Spüren zu kommen. Und deine Lust wieder neu entdecken.

Übung für sexuelle Achtsamkeit

Es gibt eine ganz einfache Übung auf dem Weg dahin, dass wir uns wieder mehr spüren und auch Lust empfinden können:

  1. Nimm dir ein paar Stunden Zeit nur für dich. Sorge für eine ungestörte und schöne Atmosphäre. Schalte das Handy aus.
  2. Liebe dich selbst. Geh langsam dabei vor und erkunde deinen ganzen Körper.
  3. Das Wichtigste dabei: Wenn du erregt bist, dann schalte dein Kopfkino ab, während du dich weiter stimulierst. Bilder lenken dich beim Hineinspüren ab.
  4. Beobachte stattdessen genau, welche Empfindungen an welcher Stelle deines Körpers auftauchen, und wohin sie sich entwickeln.
  5. Gehe nicht bis zum Höhepunkt, sondern bleibe in der Phase davor. Lass die Empfindungen notfalls abkühlen, und stimuliere dich erst dann wieder. Genieße das Auf und Ab.

Ähnliche Übungen lernst du in den Büchern Als Paar die Liebe wiederentdecken oder Achtsame Sexualität für Männer. Du kannst die Erregung, die dabei entsteht, eine ganze Weile genießen. 10 Minuten, eine halbe Stunde, irgendwann eine Stunde und mehr.

Die Sinne trainieren
Unsere Sinne lassen sich trainieren

Am Anfang ist das ungewohnt – wir halten unsere eigene Lust oft nur schwer aus, siehe diesen Beitrag. Bald schon wirst du spüren, dass es Unterschiede im Vergleich zu deinem gewohnten Liebesspiel gibt:

Das kann am Ende bis zu einem Gefühl des Ganzkörper-Orgasmus gehen. Setze dich jedoch nicht unter Druck: Zum einen braucht es hierzu eine ganze Weile, zum anderen wirkt eine Zielsetzung kontraproduktiv.

Mit Tantra zurück ins Spüren

Mache diese und ähnliche Übungen regelmäßig. Und beobachte, wie dein Empfinden nach und nach zurückkommt. Du kannst dir auch helfen lassen: Die Tantra Massage ist ein guter Einstieg, um deinen Körper und deine Sinne wieder mehr wahrzunehmen. Achte hierbei auf einen seriösen Anbieter.

Unter fachkundiger Anleitung lernst du meist noch eher, deine sexuelle Kraft zu spüren und deine Aufmerksamkeit zu lenken – ganz ohne Programm. Für dich und/oder für deine Partnerschaft.

Bilder: Yoann Boyer, Fernando, Joanna Nix-Walkup